Fall 10
Fallnummer | 10 |
Anklage | Diebstahl |
Verteidigung anwesend | Nein |
Übersetzung anwesend | Ja |
Rassifizierte Person | Ja |
Ausgang | Geldstrafe |
In einer fünfminütigen Verhandlung wird ein Paar, das seit kurzem in Deutschland ist und Asyl beantragt hat, wegen Diebstahls von Lebensmitteln im Wert von etwa 30 € zu einer Geldstrafe von 200 € verurteilt.
Hier zeigt sich, wie Bagatelldelikte wie am Fließband abgefertigt werden: Die Verhandlung dauerte gerade einmal fünf Minuten. Die beiden Betroffenen haben keinen Rechtsbeistand und anscheinend auch keine gute Verdolmetschung. Für die Verhältnismäßigkeit der Geldstrafe liefert die Richterin eine Pro-forma-Begründung. Sie geht auch nicht auf den Antrag des Paars auf Ratenzahlung ein. Am Ende verurteilt die Richterin die beiden zu einer Geldstrafe von 200 €, was fast der Hälfte des monatlichen Einkommens des Paars entspricht (und sie haben ein Kind). Sollten sie die Geldstrafe nicht zahlen, müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten.
Auch hier wird absolut verkannt, aus welcher Motivation Lebensmittel gestohlen werden. Bei einem monatlichen Gesamteinkommen von insgesamt 500 € stehen dem Paar und Kind täglich jeweils 5,55 € zur Verfügung. Davon müssen nicht nur Lebensmittel, sondern auch sonstige Bedürfnisse außerhalb ihrer Miete bezahlt werden. Dabei geht der Gesetzgeber in der Berechnung des Bürgergeldes davon aus, dass ein erwachsener Mensch mindestens 6,42 €, Kinder zwischen 3,85 € - 5,03 €, allein für Lebensmittel täglich braucht. Gleichzeitig wird auch diese Summe sowohl von Menschenrechtsorganisationen als auch dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als unzureichend kritisiert. Die zusätzliche Geldstrafe verschärft die Situation der Familie nur noch. Ebenso bleibt durch die Richterin vollkommen unbeachtet, dass die Strafe das Kind der Familie unweigerlich mitbestraft.
Den Prozessbeobachter*innen fiel auf, dass die betroffene Frau eine Protesthaltung einnahm. Sie saß das erste Mal vor Gericht und schien nicht besonders vertraut mit dem zu sein, was sie erwartete. Vielleicht hat sie aber bereits gespürt, wie ungerecht das Strafsystem ist.
Einem Ehepaar wird vorgeworfen, Lebensmittel im Wert von 30 € gestohlen zu haben. Ihnen wird zwar eine dolmetschende Person zur Seite gestellt, aber sie haben keinen Rechtsbeistand.
Die Richterin fragt das Paar, ob sie etwas zu den Vorwürfen sagen möchten. Die Frau sagt, dass es ihnen sehr leid tue und dass sie kein Geld gehabt hätten. Sie fügt noch hinzu, dass es nicht wieder vorkommen werde. Es ist unklar, aus welcher staatlichen Quelle ihr Einkommen stammt. Wir erfahren, dass das Paar für sich und ihr Kind etwa 500 € pro Monat erhält.
Auf Grundlage dieses kurzen Austauschs schlägt die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 200 € vor. Die Frau fragt, ob sie in Raten zahlen könnten, da sie heute kein Geld dabei hätten. Die Richterin antwortet, dass sie nicht sofort zahlen müssten und eine Rechnung mit der Post erhalten werden. Dann bestätigt sie die Geldstrafe in Höhe von 200 € und entlässt das Paar.