Glossar
Hier finden sich zentrale Begriffe, die wir in unseren Beschreibungen von Gerichtsverfahren verwenden. Wir haben auch vereinfachte Erklärungen für rechtliche Definitionen hinzugefügt, damit diese leichter zu verstehen sind.
Amtsgericht
Amtsgerichte sind in erster Instanz für Fälle mit einer Strafe von bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe zuständig.
Anklage
Eine Anklage ist ein formelles Dokument der Staatsanwaltschaft, das eine Person einer Straftat beschuldigt. Sie ist notwendig, damit der Fall vor Gericht verhandelt wird und wird zu Beginn der Verhandlung von der Staatsanwaltschaft verlesen.
Armutsdelikte
Wir sprechen von Armutsdelikte, wenn die Straforgane Menschen für Straftaten kriminalisiert, die mit ihrem Mangel an finanziellen Mitteln zusammenhängen.
Berufung
Die Berufung ist das Rechtsmittel, das gegen Entscheidungen des Amtsgericht eingelegt werden kann. Das Landgericht entscheidet erneut über die sachlichen Umstände und die rechtliche Einordnung des Falls.
Beschleunigtes Verfahren im Schnellgericht
Im sog. Schnellgericht werden Verfahren bei einfachem Sachverhalt oder klarer Beweislage innerhalb von sechs Wochen nach der Tat verhandelt.
Bestrafung
Eine Bestrafung erfolgt infolge der Begehung einer Straftat in der Regel vom Gericht. Allerdings können Bestrafungen auch solche Sanktionen sein, die im Recht nicht offiziell als Strafe angesehen werden, aber von den Betroffenen als solche empfunden werden, wie Gerichtskosten oder erzieherische Maßnahmen in Jugendfällen.
Bewährungshelfer*in
Bewährungshelfer unterstützen und überwachen Menschen während der Bewährungszeit, z.B. überprüfen sie die Einhaltung der Bewährungsauflagen.
Bewährungsstrafe
Eine Bewährungsstrafe ist eine Strafsanktion, bei der die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ausgesetzt wird, unter der Bedingung, dass der Betroffene sich während einer festgelegten Bewährungszeit an bestimmte Auflagen hält und keine weiteren Straftaten begeht.
Duldung
Die Duldung ist ein Aufenthaltstitel, nachdem das Asyl abgelehnt wurde, die Abschiebung vorübergehend aber ausgesetzt ist. Menschen können diesen Status jahrelang beibehalten.
Einstellung
Ein Verfahren kann in verschiedenen Stadien des Verfahrens aus unterschiedlichen Gründen eingestellt oder nicht weiterverfolgt werden, zum Beispiel aufgrund fehlender Beweise. Verfahren können auch unter Auflagen eingestellt werden, etwa durch Zahlung von Entschädigung.
Ersatzfreiheitsstrafe
Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird verhängt, wenn eine Person ihre Geldstrafe nicht bezahlt.
Freispruch
Eine Person, die vom Gericht als unschuldig oder nicht nachweisbar schuldig für eine Tat angesehen wird, wird freigesprochen. Sie muss keine Kosten für das Verfahren oder Anwaltskosten übernehmen.
Führungszeugnis
Geldstrafen von über 90 Tagessätzen werden im Führungszeugnis aufgelistet, was Schwierigkeiten für das Arbeitsverhältnis/die Jobsuche bereiten kann.
Geldstrafe
Eine Geldstrafe ist eine finanzielle Sanktion, die zur Bestrafung einer Straftat verhängt wird. Finanzielle Sanktionen, die für Ordnungswidrigkeiten verhängt werden, heißen Geldbußen.
Gerichtshilfe
Die Gerichtshilfe prüft u.a. im Auftrag des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft die persönlichen und finanziellen Umstände Betroffener vor und nach der Verurteilung, um Entscheidungen zu Strafe, Strafaussetzung, Verfahrenseinstellung und Zahlungsaufschub zu unterstützen. Die Zusammenarbeit ist freiwillig für die Betroffenen.
Landgericht
Das Landgericht ist erstinstanzlich für solche Fälle zuständig, die mit einer Freiheitsstrafe von über vier Jahren, Maßregelvollzug oder Sicherungsverwahrung bedroht sind. Zweitinstanzlich hört es Berufungen von Entscheidungen vor dem Amtsgericht.
Massendelikte/geringfügige Straftaten
Die Begriffe „Massendelikt” oder „geringfügige Straftat” verwenden wir in Bezug auf häufig verfolgte Delikte, die in der Regel geringfügige Verstöße umfassen, wie etwa das Fahren ohne Fahrschein, Diebstahl, Betrug oder kleinere Drogendelikte und migrationsbezogene Vergehen. Nach deutschem Recht werden diese Fälle in der Regel mit Geldstrafen geahndet, wobei jährlich etwa 520.000 Verurteilungen zu Geldstrafen führen. In bestimmten Fällen, insbesondere bei wiederholten Straftaten oder erschwerten Umständen, können auch Bewährungs- oder Freiheitsstrafen verhängt werden.
Maßregelvollzug
Der Maßregelvollzug ist eine besondere Form von Gefängnis, der für Menschen mit psychischer Erkrankung (§ 63 StGB) oder starker Substanznutzung (§ 64 StGB) vorgesehen ist.
Nebenkläger*in
Eine Person, die von einer Straftat betroffen ist (d.h. Opfer) und am Prozess teilnehmen kann, indem sie unter anderem eigene Beweise vorlegt, Zeug*innen befragt und gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einlegen kann.
Oberlandesgericht
Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte werden am Oberlandesgericht verhandelt. Das Gericht verhandelt auch erstinstanzliche Verfahren.
Ordnungswidrigkeit
Eine geringfügige rechtswidrige Handlung, die nicht als Straftat gilt und in der Regel mit einer Geldbuße oder anderen verwaltungsrechtlichen Sanktionen bestraft ist.
Pflichtverteidigung
In bestimmten Strafverfahren ist der*dem Betroffenen ein*e Verteidiger*in vom Gericht zu stellen. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem*der Betroffenen eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr droht. Die Pflichtverteidigung muss der*die Angeklagte zahlen, wenn er*sie rechtskräftig verurteilt wurde.
Rassifiziert
Rassifizierung bezeichnet den Prozess, bei dem Menschen aufgrund bestimmter physischer Merkmale oder wahrgenommener Eigenschaften und Verhaltensweisen in unterschiedliche, hierarchische Gruppen eingeteilt werden. Dieser Prozess umfasst auch die Konstruktion von Weißsein als die nicht benannte, scheinbar neutrale Norm, die nicht als rassifiziert wahrgenommen wird.
Rechtsmittel
Rechtsmittel bieten die Möglichkeit, eine Entscheidung von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen.
Rechtspfleger*in
Rechtspfleger*innen arbeiten für die Gerichte und die Staatsanwaltschaft. Rechtspfleger*innen, die für die Staatsanwaltschaft arbeiten, überwachen unter anderem die Vollstreckung von Strafen (d.h. sie stellen sicher, dass eine Person ihre Strafe vollständig erfüllt, indem sie bspw. alle Geldstrafen bezahlt).
Revision
Revision ist das Rechtsmittel gegen ein Urteil des Land- oder Oberlandesgericht, bei der die prüfende Richter*innen lediglich die rechtliche Analyse des vorherigen Urteils bewerten.
Schuldfähigkeit
Schuldfähigkeit bedeutet für uns, dass eine Person die rechtliche Verantwortung für eine Straftat übernehmen muss und sie faktisch auch übernehmen kann.
Schöffen
Schöffen sind deutsche Staatsbürger*innen, die als Laienrichter*innen gemeinsam mit den Richter*innen über strafrechtliche Verfahren entscheiden. Sie dienen für eine Amtszeit von fünf Jahren.
Sicherheitsverwahrung
Sicherheitsverwahrung meint die fortgesetzte Inhaftierung einer Person, nachdem sie ihre Strafe verbüßt hat, basierend auf der Einschätzung ihrer Gefährlichkeit durch das Gericht.
Sprungrevision
Eine Sprungrevision ist die Anfechtung eines Urteils des Amtsgerichts, bei der lediglich die rechtliche Analyse des Urteils überprüft wird.
Strafbefehl
Ein Strafbefehl ist ein Verfahren, bei dem das Amtsgericht das Urteil per summarischen Verfahren erlässt, das der betroffenen Person per Post zugesendet wird, ohne dass es zu einer mündlichen Verhandlung kommt.
Strafsystem/ Strafrechtsystem
Die Begriffe „Strafsystem“ oder „Strafrechtssystem“ bezeichnet den umfassenden Strafapparat, zu dem Gesetzgeber, Polizei, private Sicherheitsdienste, Staatsanwaltschaft, Richter*innen, Verteidiger*innen, Bewährungshelfer*innen und andere Justizmitarbeitende zählen. Da das Strafsystem in soziale Normen, kulturelle Werte, politische Diskurse und wirtschaftliche Prozesse eingebettet ist, beeinflussen all diese Faktoren, wer, wie und was überwacht, kontrolliert und bestraft wird. Es geht somit über direkt an Strafsachen beteiligte Institutionen und Akteure hinaus und durchdringt viele gesellschaftliche Ebenen.
Straftat
Ein Verhalten, das laut Gesetz (z.B. nach dem StGB) strafbar ist, wenn alle Voraussetzungen für die Strafbarkeit erfüllt sind (z. B. ob die Person vorsätzlich gehandelt hat, welche Handlungen nachgewiesen werden müssen). Straftaten werden mit einer Geld-, Freiheits-, oder Bewährungsstrafe bestraft. Welches Verhalten der Gesetzgeber für strafbar erklärt, wird u.a. durch soziale und politische Prozesse bestimmt.
Untersuchungshaft
Untersuchungshaft ist die Inhaftierung einer Person vor der Hauptverhandlung, also bevor sie wegen einer Straftat für schuldig befunden wird.
Verbrechen
Verbrechen sind Handlungen, die nach dem Strafgesetzbuch mit einer Strafe von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind.
Vergehen
Vergehen sind solche Handlungen, die nach dem Strafgesetzbuch mit einer Strafe von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht sind.
Verständigung
Im Rahmen der Verständigung nach §257c StPO einigen sich angeklagte Person, Richter*in und Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung darauf, das Verfahren abgekürzt zu beenden.
Verurteilung
Wird eine Person verurteilt, gilt sie als schuldig, erhält eine Strafe und trägt die Verfahrens- und Anwaltskosten.